History:Avalons Aufzeichnungen über Stoland

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Avalons Aufzeichnungen über Stoland

von Arlen


Grau, staubig, von Tränen weinender Mütter durchtränkt lag das einst blühende Stoland unter einem strahlend blauen Himmel, ausgedörrt von einer mörderischen Sonne.

Das Joch der Sklaverei hatte geschafft, was jahrzehntelanger Krieg zuvor nicht vermocht hatte. Die kümmerlichen Überreste der Menschen und Drachen hatten sich unter die Erde geflüchtet, Schutz suchend vor den Peitschenhieben des unglaublich mächtigen Nachbars Gargamelonia.

Anstatt lachender Kinder stampften nun Mauls in schweren Stiefeln durch die Ruinen verlassener Städte. Ghasts patrouillierten über den Himmel und töteten jedes bisschen Grün, das zaghaft das zarte Köpfchen aus der grauen, rissigen Erde steckte.

Was war geschehen? Wie hatte das einst so wehrhafte Stoland einfach überrannt werden können?

Die Antwort war Krieg. Jahrzehntelanger Krieg der die Streitkräfte dezimiert hatte.

Ein Drache war auf der Suche nach einem Bett für die Nacht in ein Dorf eingedrungen. Er wäre nicht erkannt worden, hätte nicht ein Bauer seinen schuppigen Schwanz bemerkt. Doch dann war alles zu spät. Der Drache musste fliehen, da er nun von einer Horde wütender Dorfbewohner verfolgt wurde.

Ein menschliches Mädchen half ihm dabei diesem Hexenkessel zu entfliehen, oder so schien es zumindest. Nicht viel später wurden die beiden von Soldaten aufgespürt und mit brennenden Pfeilen vom nächtlichen Himmel geschossen. Der Auftakt eines Krieges.

Die Drachen griffen Menschensiedlungen an, um den Tod ihres Bruders zu rächen und zogen so die Rachegelüste der Menschen auf sich.

Ein heftiges Blutvergießen entspann sich, mit vielen Toten auf beiden Seiten. Über Jahrzehnte dehnten sich Scharmützel und Hinterhalte, bis sich auf den Tag genau vor dreizehn Jahren der Himmel verdunkelte. Die Kreaturen vom Nachbarkontinent Gargamelonia hatten zugeschlagen.

Uns Kindern wurde damals erzählt, die Drachen seien eine Ausgeburt der Hölle und trachteten eifersüchtig danach, die edle Rasse der Menschen vom Angesicht der Welt zu tilgen. Doch als Gargamelonia zuschlug, lernten wir den wirklichen Nether kennen.

Wie Ameisen schwärmten schwarze Wesen, Mauls wie ich heute weiß, über unsere Wälder und Steilküsten. Was nicht floh wurde niedergemacht.

Der erste Tag forderte die meisten Opfer. In Sturzbächen floss rotes Blut über die Pflastersteine unserer heimatlichen Straßen.

Wir flohen aus der Stadt, wie die Ratten und wie Ratten verkrochen wir uns in den Höhlen im Umland. Seltsamerweise drang kein einziger dieser Schlächter in die Höhlen. Das einzige Problem waren die Untoten, die dort in der Dunkelheit lauerten. Doch sie waren nichts im Vergleich zur Apokalypse, die außerhalb unserer schützenden Felsen tobte.

Den Schlächtern waren kleinere, braunhäutige Wesen gefolgt. Wir Kinder nannten sie die Baumdiebe. Ganze Wälder verschwanden unter ihren gierigen Äxten – nur grauer Staub und Asche blieb zurück.

Dann, nach Wochen des Chaos, kehrte Ruhe ein. Stoland war eine graue Wüste, vernarbt, von den gargamelonischen Peitschen.

Die Menschen erhoben sich aus ihrer Lethargie und begannen nach Überlebenden zu suchen.

Doch davon morgen mehr. Ich muss mich ausruhen, das Gift greift um sich. Doch ich muss mich beeilen, das Physonium zersetzt nicht nur meinen Körper, sondern auch meinen Geist. Mir bleiben nur noch wenige Wochen mich zu erinnern…


Damals war ich sieben und jetzt, kaum dreizehn Jahre später fühle ich mich wie ein Greis.

Burion, Dorfältester und mein Vater, beschloss einige Tage nachdem das Chaos geendet hatte, dass die umliegenden Höhlen nach Überlebenden durchsucht werden müssten. Zwar waren die schwarzen Schlächter verschwunden und die meisten Brände von Aschestürmen erstickt, aber immer noch flogen Patrouillen über den Himmel.

Man entschied, dass nur wir Kinder klein genug seien, um unbemerkt durch das offene Gelände zu kommen. Also zog man uns graue Umhänge an und rieb uns mit Asche ein, um uns in dem verbrannten Gelände zu tarnen.

Da ich klein für mein Alter und darüber hinaus noch Sohn des Dorfältesten war, berief man mich diese Gruppe aus ein bis zwei Jahre jüngeren Kindern anzuführen.

Die nächstgelegene Höhle wäre unter normalen Umständen in einer Stunde zu erreichen gewesen, doch da wir schleichen und uns verbergen mussten, dauerte es viel länger.

Am Abend erreichten wir endlich, völlig erschöpft die Höhle. Zwar hätten wir uns am liebsten alle am liebsten in den Staub geworfen und geschlafen, doch gebot uns die Pflicht und die Angst vor den Schlägen unserer Väter zunächst die Höhle nach Überlebenden zu durchsuchen. Also betraten wir, müde wie wir waren, die Höhle. Wir brauchten nicht lange zu suchen, da trat uns einer der wenigen Menschen entgegen, dem ich ohne weiteres den Tod im Gemetzel gewünscht hätte. Warum tötete das Schicksal unsere Lieben und ließ ein solches Schwein am Leben? Daniel war acht Jahre älter als ich. Er war gemein. Er ließ keine Gelegenheit aus die kleineren Kinder zu schlagen und zu schikanieren. Ich erinnere mich noch deutlich an die Schadenfreude in seinem Gesicht, wenn er uns schlug, doch seine Augen waren diesmal nicht voll von Gehässigkeit, sondern von Angst gezeichnet.

Er bot ein furchtbares Bild, wie er da in der Dunkelheit stand und zitterte. Seine Kleidung war zerrissen und er hatte Blutspritzer im Gesicht. Ich kann es deutlich vor meinen Augen sehen, wie dieser Bastard dort vor uns in der Höhle stand und mit zitternder Stimme sagte: „Endlich seit ihr da, ich hatte solche Angst!“

Doch so klar dieser Ausspruch ist, desto vernebelter ist der Rest dieser Szene. Das verfluchte Physonium fordert seinen Tribut.

Wir verbrachten die Nacht in der Höhle. Die anderen Kinder kuschelten sich an einer Wand zusammen. Sie waren zu erschöpft, um sich Gedanken über Untote zu machen, die im Schutz der Dunkelheit heranschleichen konnten. Also blieb dies und die daraus folgende Wache an mir hängen. Im Nachhinein bin ich froh darüber. Ich hätte keinem der Kinder den bald folgenden Anblick gegönnt.

Später in dieser Nacht verschwand Daniel, mit der Entschuldigung, er müsse sich erleichtern. Ich dachte mir nichts dabei. Das mussten wir alle mal tun. Also setzte ich meine Wache fort, bis ich plötzlich etwas erblickte, was mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. Im Eingang der Höhle stand einer der Schwarzen Schlächter, der schadenfroh grinsend auf uns herabblickte. Doch was mich am meisten schockte, war die Gestalt, die neben ihm stand – Daniel. Zwar war er bleich und zitterte, doch sah ich in seinen Augen den Triumph sein Leben gerettet, und dadurch das Leben vieler anderer verwirkt zu haben. In diesem Augenblick hasste ich Daniel bis aufs Blut und hätte ihn am liebsten auf die schmerzhafteste Weise getötet, doch das erwies sich als hinfällig.

Der Schwarze Schlächter zischte zu Daniel gewandt: „Das hast du gut gemacht mein kleiner Denunziant…“, und stieß ihm von hinten sein Schwert durch die Brust. Einen Augenblick schien es als bliebe die Zeit stehen. Daniel starrte ungläubig auf zwei Handspannen Eisen, die aus seiner Brust ragen. Dann sank er zu Boden und blieb in einer Lache hellen Blutes liegen.

Nun wandte sich der Schwarze Schlächter mir zu und kam mit drohend erhobenem Schwert auf mich zu.

Plötzlich gab es ein lautes Zischen und der Oberkörper des Schlächters explodierte in einer Kaskade goldenen Feuers und Blut. Ich erinnere mich, dass ich mit aufgerissenen Augen und voller Angst dieses Schauspiel betrachtete. Dann betrat ein jugendlich aussehender Mann in einem engen Ledermantel den Raum. Man hätte ihn ohne weiteres für einen Menschen halten können, wäre der schuppige Schwanz nicht gewesen, der am Ende mit einer sichelförmigen Klinge besetzt war. Das war der Beginn unserer Beziehungen zu den Drachen. Doch davon später mehr. Mein Kopf brennt vom Erinnern wie Feuer und um meinen Magen steht es auch nicht besser. Ich muss mich dringend ausruhen....


Ich glaube mein letzter Bericht endete mit dem Auftauchen des Drachen in der Höhle, doch ich kann es nicht mit Gewissheit sagen. Das Gift hat nun auch meine Augen befallen. Ich kann nicht nachlesen was ich heute Morgen schrieb und mein Erinnerungsvermögen verblasst. Ich hoffe diese Beschreibung meines Krankheitsverlaufs wird irgendwann einem Arzt von Nutzen sein. Soweit ich weiß wurde noch kein detaillierter Bericht über das Leiden durch Physonium niedergeschrieben. Doch ich schweife ab.

Daniel, der Verräter, war von dem Schwarzen Schlächter ermordet und dieser von einem Feuerball aus dem Leben gepustet worden. Ein Mann betrat die Höhle, gekleidet in einen hautengen Ledermantel. Er sah aus wie ein Mensch, allein der schuppige Schwanz mit der Klinge am Ende verriet ihn als einen Angehörigen eines anderen Volkes. Er hatte grüne Augen, die wachsam aber ruhelos durch die Höhle streiften. Seine Haut war von einem schwach erkennbaren Schuppenmuster gezeichnet.

Als mein kindliches Gemüt realisierte, was da vor mir stand, kreischte ich laut auf und machte mich in einer Ecke der Höhle ganz klein. Kein Wunder. Mein ganzes Leben hatte man mir eingetrichtert, wie böse und gemein Drachen seien und das sie kein anderes Bedürfnis kannten, als Menschen bei lebendigem Leib zu verspeisen.

Der Drache kam auf mich zu und öffnete seinen Mund. Ich glaubte er wolle mich verbrennen, wie den Schwarzen Schlächter, doch stattdessen drangen Worte daraus hervor: „Chab keine Angst kleiner Juunge. Icch werde dir nicchts tuun.“ Er sprach mit einem seltsamen Akzent. Offenbar konnte er kein ‚H‘ aussprechen, immer wenn er es versuchte, drang etwas wie ein Fauchen aus seinem Mund hervor. Ich war so perplex, dass ein Drache mit mir sprach, dass ich den Sinn seiner Worte nicht realisierte. In den alten Geschichten hieß es immer, Drachen seien zwar blutrünstig und grausam, doch auch extrem dumm. Es hieß, sie könnten nicht einmal sprechen. Offenbar waren die alten Legenden doch nicht so wahrheitsgetreu, wie ich vor dem immer dachte.

Ich glaube, dass das mir ein wenig mehr Mut einflößte und ich deshalb den Mund weit genug aufbekommen konnte um zu fragen: „Was willst du Drache?“

„Miit dir reden Kiind“

„Was willst du mit mir reden? Du wirst mich doch eh nachher ermorden…“, noch während ich das sagte, brach der Drache in ein lautes Gelächter aus. Bis heute kann ich mir nicht erklären, warum die anderen Kinder nicht aufwachten. Der Tod des Schlächters und der Drache hatten nicht wenig Lärm gemacht, aber trotzdem schlief alles seelenruhig weiter.

„Waruum? Waruum sollte iicch Kiinder ermorden? Wiir chaben einen gemainsamen Faind, den es zu töten giilt. Wiir sollten uns niccht gegensaitig zerflaischen“, sagte der Drache ruhig: „Briing miicch zu dainem Vater, icch möchte mit iihm reden“

„U-und, warum soll ich glauben, dass du uns nicht nur alle töten willst?“

„Wail…Wenn ich nuur auf Mord aus wäre, könnte ich euch jetzt alle uumbringen und danach den Rest von euch ausräucchern. Iicch brauche diicch, Klainer Juunge. Wenn duu miicch beglaitest wiird man miicch niiccht dierekt töten wollen.“

Seltsamerweise fühlte ich mich damals in die Ecke gedrängt. Die Argumentation des Drachen war so plausibel, dass mir keine Argumente einfielen, die ich dagegen richten konnte. Vielleicht, so dachte ich, brauchten die Menschen wirklich ein Bündnis mit den Drachen. Also willigte ich ein, ihn zu meinem Vater Burion zu führen.

„Wie soll ich dich nennen, Drache?“, fragte ich noch.

„Nenn miicch Piotr“

Einstweilen ließen wir die Kinder schlafen. Ausgeschlafene Kinder zu beruhigen ist um ein Vielfaches einfacher, als plötzlich aus dem Schlaf gerissenen Kindern zu erklären, dass ein Drache harmlos ist. Trotzdem war es ein hartes Stück Arbeit, die Kinder am nächsten Morgen davon abzuhalten, blindlings nach draußen in die Arme der Schwarzen Schlächter zu rennen. Dies nahm einige Zeit in Anspruch, doch dann konnten wir uns mitsamt Piotr auf den Heimweg machen...